Whatever it was, it was powerful

Benedikt Feiten über das Netzwerktreffen der Bayerischen Akademie des Schreibens 2022

Eine Filmszene, die mir in letzter Zeit öfter in den Sinn kommt: Im Horror-Klassiker »Creature from the Black Lagoon« (1954) steht ein Team aus Wissenschaftler*innen rätselnd um eine geborgene Hand der Kreatur. Nach viel Mutmaßerei über die Anatomie zieht ein Forscher das trockene Fazit:

»We can be sure of one thing. Whatever it was, it was very powerful.«

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WIR. Gruppenbild des Netzwerktreffens am 28. & 29.5.2022 © Simone Scharbert

Und das klingt nach dem Netzwerktreffen (27.-29.5.22) der Bayerischen Akademie des Schreibens nach: Die Einigkeit über die Wirkkraft von Literatur, vom Zusammenfinden, von der Begegnung, auch wenn es sich nicht genau fassen lässt, worin genau diese Kraft besteht. Es trifft sich mittlerweile eine gewachsene Gruppe aus veröffentlichten Autor*innen der Akademie, gewachsen nicht nur durch wunderbare Neuerscheinungen und bereichernde Neuzugänge, sondern auch gewachsen im Austausch, in der Kritik, in dem, was Simone Scharbert letztes Jahr so schön als das WIR beschrieben hat.

Wald Blog
Im Wald © Simone Scharbert

Wir können uns in Gesprächen verzetteln, nach Ausflügen durch das Dunkle radeln, uns aller digitalen Navigation zum Trotz im Wald verlaufen und standen auch schon minutenlang andächtig vor dem falschen Thomas-Mann-Haus. Trotzdem sind wir eine Gruppe, die noch immer ans Ziel gelangt ist, und wenn auch jede*r sofort weiß, worauf Iris Murdoch mit ihrem Bonmot »Every novel is the wreck of a perfect idea« abzielt, treten wir den Schiffbruch immerhin bestgelaunt an. Denn unterschiedlich wie sich die Texte und Vorhaben jedesmal zeigen, sind die Diskussionen aufs Neue von zugewandter Kritik und offenbaren wie viel uns verbindet und auch in der Verschiedenheit nicht trennt.

Der Fußballer Jan Åge Fjørtoft sagte über seinen als Schleifer verschrienen Trainer Felix Magath einmal »Ob er die Titanic gerettet hätte, weiß ich nicht. Aber die Überlebenden wären topfit gewesen.« Das läuft mit dem Netzwerk-Treffen ähnlich, nur nimmt man hier anstelle körperlicher Stählung Lese-Anregungen für Monate, Text-Feedback für Jahre und Kraft für die nächsten Reisen mit. Andere können das natürlich besser ausdrücken. Bei Franziska Hauser lese ich auf Instagram

»Wir waren ein großer bunter Ball. Und so einträchtig miteinander, weil jede Verletzung jede*n selbst getroffen hätte.«

Der Themenschwerpunkt hieß diesmal »UNSERE ZEIT«. Das Gespräch mit der Lyrikerin Volha Hapeyeva und Prof. Andreas Wirsching (Direktor des Instituts für Zeitgeschichte), die Vorstellung von Autoreninitiativen mit Lena Gorelik, Silke Kleemann und Denijen Pauljevic, die wachsamen Anmerkungen von Meike Rötzer, das Werkstattgespräch mit Thomas Lehr, der auch schon einige von uns im Romanseminar begleitet hat. Das alles viel zu reich, um es in schnellen Fazits oder knappen Sätzen zu komprimieren. Mal wieder nicht beschreibbar.

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Verabredung beim Schwertkampf © Simone Scharbert

Was wir alles über die Jahre durch die einfühlsame und offene Organisation Katrin Langes und nun auch Annegret Liepolds schon erleben durften. Nach Clownsschule und Meditation im Wald finden wir uns (trotz des Wagemuts den Absacker samt Laptop mit offener Musikauswahl gleich am ersten Abend zu riskieren) zum Aikido-Workshop am Kloster Schäftlarn ein. Das Aufeinandertreffen im Schwertkampf beschreibt der Lehrer als Verabredung. Eine Verabredung? Ja gerne. Ich wünsche mir mehr Verabredungen. Und im nächsten Jahr auch. Es bleibt der Eindruck nicht genug geredet, mit allen nicht genug Zeit verbracht zu haben, von allen mehr wissen zu wollen.

Doch es ist gut, mehr zu wollen von diesem Gefühl, im Kämmerchen, am Schreibtisch, im Text, nicht allein zu sein. Ich weiß nicht was es ist. Aber es ist mächtig.

Bene Blog
Benedikt Feiten beim Netzwerktreffen © Simone Scharbert

BENEDIKT FEITEN wurde in Berlin geboren und lebt in München, wo er Unmengen schwarzen Tee trinkt und vieles macht, manchmal sogar ohne sich zu verzetteln. Er ist mit dem Literaturstipendium der Stadt München ausgezeichnet worden und war Teilnehmer der Bayerischen Akademie des Schreibens. 2016 erschien sein Debütroman »Hubsi Dax« (Voland & Quist). 2019 erhielt er für »So oder so ist das Leben« den Bayerischen Kunstförderpreis. Nach dem Studium der Amerikanischen Literatur hat er seine Doktorarbeit über Musik und Transnationalität in den Filmen von Jim Jarmusch geschrieben und an der Ludwig-Maximilians-Universität unterrichtet. Er ist Trompeter und Cellist in verschiedenen Bands und Projekten. 2021 war er Stipendiat des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg. Im Frühjahr 2022 erschien sein dritter Roman »Leiden Centraal« (Voland & Quist). Unter der Regie von Benedikt Feiten findet im Rahmen des Festprogrammes des Literaturhauses zum Literaturfest München (16.11. bis 4.12.2022) erstmals die »Münchner Schiene« statt.

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