ZEITLOS: Ein Gespräch zwischen Literatur und Musik

Manon Hopf und Immanuel Bach im Interview

Wie es ist, eine (Hänge-)Brücke zwischen Musik und Literatur zu spannen? Und sich dabei noch mit etwas so existenziellen wie der Zeit zu beschäftigen?

Zwei Wochenenden haben Stipendiat*innen der Bayerischen Akademie des Schreibens (Literaturhaus München) und der Akademie des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks miteinander diskutiert, sich vorgespielt und vorgelesen, haben Gemeinsames und ganz und gar Verschiedenes entdeckt. Am 13.2.2024 stellen sie ihr gemeinsames Programm »ZEITLOS« vor. Vorab erzählen die Lyrikerin Manon Hopf und der Nachwuchsautor Immanuel Bach warum es mehr Musik in Literatur und Sprache braucht.

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Liebe Manon, lieber Immanuel – Zeit in der Literatur und Zeit in der Musik. Gibt es da eine Brücke oder musstet Ihr sie schlagen?

Immanuel: Es ist doch mal schön, die Zeit als Brücke zu betrachten und nicht, wie so oft, als zu überquerender (oder eben nicht überquerbarer) Abgrund. Der von dieser Brücke aus sehbarer Abgrund: Der zwischen Musik und Literatur? Ist interessant, aber eben unergründlich. Viel spannender für uns: Wie ist diese Brücke gebaut? Was ist das für eine Brücke? Eine Hängebrücke? Ja, auch. Die schwankt, wenn man sie betritt und umso heftiger, je mehr Leute sie benutzen. Und warum sieht sie immer so anders aus, je nachdem, von welcher Seite man kommt? Wird das Textmachen mit dem Musikmachen verbunden, das Lesen mit dem Hören, das Er-zählen mit dem Takt, der Ton mit dem Sound, das ritardando mit der Dehnung? Ergeben sich Literatur und Musik der Zeit oder ergibt sich Zeit (in) ihnen (und aus dieser Perspektive wäre es die Brücke, die den Abgrund braucht, sonst stünde sie ja einfach in der Landschaft herum)? Also: Die Brücke gibts, aber alles andere ist faszinierend ungewiss.

Manon: Unsere Wahrnehmung und unser Ausdruck von Zeit ist ja an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die sich in Musik und Literatur zwar unterschiedlich ausdrücken können, die Prämissen aber bleiben gleich: Rhythmus, Pausen, Brüche, Tempi, Sätze, Melodien, Dynamik, Wiederholungen, Sequenzen, Dissonanzen – Literatur und Musik sind keine Inseln. Landkarten vielleicht, die sich übereinanderschieben und -schreiben (lassen). Und da, wo es interessant ist, den Finger draufhalten, mit der Lupe drangehen oder dem Fernglas. Das Ohr dranhalten und lauschen. Gerade wenn ich von Lyrik spreche, ist die Trennung zwischen Musik und Sprache oder Literatur nicht klar zu vollziehen und ich denke, das lässt sich auch auf Prosa anwenden. Daher: Mehr Musik in die Literatur, in die Sprache!

c Zoé Hopf (1)Immanuel Bach

Wie darf man sich die Zusammenarbeit zwischen Autor*innen und Musiker*innen hinter den Kulissen vorstellen. Wart ihr sofort auf einer Wellenlänge oder wie habt ihr eine gemeinsame Sprache gefunden?

Manon: Mein Eindruck ist, dass wir sehr schnell eine gemeinsame Sprache gefunden haben: einander zuzuhören. Ein genaues Zuhören und Lesen, das mit den Augen und Ohren stattfindet und das wie ich finde Musik und Literatur gemein haben.

Immanuel: Genau: Reden, zuhören und zuschauen und dann übers Reden, Zuhören und Zuschauen reden. Immer auf verschiedenen Wellenlängen aber, denn nur so entsteht Harmonie.

Was erwartet uns am 13.2.?

Immanuel: Wir versuchen, das vor die Kulissen und IN die Kulisse zu holen, was hinter ihnen (zeitlich aber vor) passiert ist. Und dort versuchen wir zu sagen, was ohnehin unsagbar bleibt, ich übergebe hier besser mal Ursula K. Le Guin: »Künstler gehen mit dem um, was mit Worten nicht gesagt werden kann. Künstler, deren Medium das Erzählen ist, tun das mit Worten. Schriftsteller sagen mit Worten, was mit Worten nicht gesagt werden kann. […] [Worte] haben außerdem einen Klang […]. Ein Satz oder Absatz ist wie ein Akkord oder eine Harmoniefolge in der Musik: Sein Sinn kann, selbst stumm gelesen, vom aufmerksamen Ohr klarer erfasst werden als vom aufmerksamen Verstand.«

Manon:

Ein Raum voller Gedanken an die Zeit, einer voll Augen und Ohren.

Ein Raum voller Stimmen und Stille.

Ein Raum der berührt und bricht, berührt

und bricht.

Immanuel: See you!

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