GEZEICHNETE GESCHICHTEN ZUM THEMA ›AUFRUHR‹

Barbara Yelin gibt Einblicke in ihre Graphic Novel-Werkstatt

COMICS SIND WIE PUZZLES aus Bildern, Texten und Leerstellen. Als Leser*innen setzen wir sie zusammen. Bild und Text werden in der Sequenz miteinander verwoben, verschränken sich, ergänzen sich und können so ein visuelles und poetisches Spannungsverhältnis erschaffen.

Unser Thema war AUFRUHR. Äußerer und innerer, sichtbarer und geheimer, politischer und persönlicher, gegenwärtiger und vergangener Aufruhr. Welcher Aspekt davon interessiert uns?

Collage: @theonebean

DIE ERSTE ANNÄHERUNG
Bringt ein Bild, eine Zeichnung, ein Fundstück zum Thema »Aufruhr« mit. – Nehmt Papier und Bleistift. –  Zeichnet euer Bild ab. – Formuliert eine Frage mit dem Wort »Aufruhr« darin. – Schreibt eine Frage an eure Story-Idee auf. – Notiert einen Satz von jemand anderem/aus den Medien dazu. – Zeichnet euren Blick aus dem Fenster oder einen Gegenstand in eurem Raum. – Zeichnet euch selbst heute früh gegen 8:00!  – Zeichnet ein schwarzes Panel. – Schreibt (oder zeichnet?) ein Geräusch!

UND JETZT: DAS PUZZLE
Kombiniert alle Teile in einen Vier-Panel-Comic. Welcher Satz passt zu welchem Bild? Welche, vielleicht ganz neue, Bedeutung entsteht dabei? Welche Geschichte entsteht, wenn wir zwei unzusammenhängende Bilder nebeneinander stellen? Wohin gehört das Geräusch – und wie sieht es aus? Und was geschieht mit der Geschichte, je nachdem, wohin man das schwarze Panel einsetzt?!

DAS WAR DER ANFANG.

Zeichnungen: Clara Dzemla, Theres Rütschi, Lilian Caprez, Nathalie Frank

FÜNF WOCHEN LANG haben wir uns in diesem Webinar der Erstellung einer eigenen Bilderzählung aus verschiedenen Richtungen genähert.

Eine spannende und schöne Erfahrung: Das Format in der Kombination von analogem Zeichnen neben dem Rechner und digitaler Kommunikation hat ein ein echtes Miteinander aus 15 verschiedenen Orten ermöglicht. Die Gruppe von 14 Zeichner*innen war bald bemerkenswert offen, positiv und vertraut miteinander. Klar, mit technischen Problemen galt es immer wieder zu kämpfen – aber meistens haben wir gewonnen.

Nein, die DIGITALE PLATTFORM kann ein echtes Zusammensein nicht ersetzen. Und doch, wir konnten uns viele der Umstände hervorragend zu eigen machen. Die Galerie der Teilnehmenden haben wir zum Beispiel für Portraitübungen nutzen können. Die schönste Übung gab es jedes Mal gleich zu Beginn: Das Ein-Minuten-Selbstportrait mit geschlossenen Augen.  Den eigenen Bildern vertrauen.

Es folgten weitere, gegenseitige Portraits, mit verschiedenen Spezialaufträgen. Verzichtet auf die Kontur. Verzichtet komplett auf die Linie. Zeichnet mit der »anderen« Hand. Schaut nur euer Modell an, nicht euer Blatt. Ganz oft geht es hier vor allem ums Weglassen: Was passiert, wenn man auf die Konturen verzichtet, auf das, was wir kennen? Wieviel Freiheit können wir der Zeichnung geben, und bleiben trotzdem erkennbar? Oder – werden vielleicht sogar deutlicher?

Storyboard @theonebean

Wir haben STORYBOARDS, das wichtigste Instrument fürs Comiczeichnen, entwickelt, verworfen und neu zusammencollagiert.

Wir haben ausprobiert, wie wir Gefühle in die Gesichter zeichnen können. Haben verschiedene Zeichentechniken ausprobiert und Dialoge, Erzähltexte und Zeichnungen zueinander in Bezug gesetzt.

 

Storyboard @theonebean

Und so wuchsen, Bild für Bild und Text für Text, ganz unterschiedliche Comics im Prozess zum Thema Aufruhr. Dokumentarische, persönliche oder fiktionale.

Was ist entstanden? Geschichten über einen Tsunami, über ein Waisenhaus, über einen Stolperstein. Über ein Verschwinden. Über ein Kind im Rollstuhl. Über die Bedeutung von Masken. Über Demonstrationen in Frankreich. Über innere Beobachtungen. Über die Gleichzeitigkeit der Ereignisse.

Und über eine kleine Schildkröte auf dem Weg zum Meer.

 

Zeichnungen: Christel Hinrichsen, Antoine Beaudoin, Andrea Lutz, Theres Rütschi, Sonja Meyke, Maja Sturm, Lilia von Paucker.

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Es war ein schönes und intensives Workshop-Erlebnis. Ein DANKE an alle Teilnehmer*innen und an das Literaturhaus.

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Bei jedem Treffen haben wir Ausschnitte aus Comics und verwandten Büchern angeschaut. LEKTÜRELISTE ZUR INSPIRATION:
Chihoi Lee »The Train«Asaf Hanuka »Der Realist« (Cross Cult) • Doris Dörrie »Leben, Schreiben, Atmen« (Diogenes) • Charlotte Salomon »Leben? Oder Theater?« (Taschen) • Paul Auster/Paul Karasik/David Mazzucchelli »Stadt aus Glas« (Reprodukt) • Scott McCloud »Comics richtig lesen« (Carlsen Comics) • Aike Arndt »Das Nichts und Gott« (Zwerchfell) • Nicolas Mahler, verschiedene Titel • Tom Gould »Goliath« (REPRODUKT) • Jon McNaught,»Birchfield Close«  • Penelope Bagieux »Unerschrocken« (Reprodukt) • Birgit Weyhe »Im Himmel ist Jahrmarkt« (avant) • Manuele Fior »5000 Kilometer in der Sekunde« (avant)

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BARBARA YELIN geboren 1977 in München, Studium der Illustration an der HAW Hamburg, seit 2004 tätig als Comicautorin und Zeichnerin. Sie hat sechs Graphic Novels veröffentlicht, häufig basierend auf historischen und biografischen Recherchen. Comicserien für die Frankfurter Rundschau und den Berliner Tagesspiegel. 2015 erhielt sie den Bayerischen Kunstförderpreis für Literatur und 2016 den Max-und-Moritz-Preis als beste deutschsprachige Comic-Künstler*in. Workshopleiterin und Comicbloggerin, u.a. in Neu Delhi, Bali, Kairo, Pristina und Tel Aviv; Dozentin und Gastprofessorin u.a. an der Kunsthochschule Saarbrücken, Universität für Angewandte Kunst, Wien, Grinnell College (USA), HFF München. Sie lebt und arbeitet in München. www.barbarayelin.de

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