Di 1.2.22 // 20 Uhr // Saal & Stream

Matou

Lesung mit Michael Köhlmeier

Moderation: Carsten Otte

 

Michael Köhlmeier ist der Verführer unter den deutschsprachigen Autoren, seine Erzählkunst ist legendär. Ob in eigenen Romanen oder in Nacherzählungen berühmter Märchen und Heldensagen: Es sind die großen Fragen der Menschheit, die Köhlmeier stellt. In seinem neuen Buch (Hanser Verlag) lässt er einen Kater erzählen, der – wie es Katzen eigen ist – sieben Leben lebt, von der Französischen Revolution bis in die Gegenwart. Matou ist der Homer der Katzen, genialer Geschichtenerzähler und Philosoph zugleich – kein Wunder, dass er an den Autor selbst erinnert.

»Ich habe meinen Herrn sterben sehen. Sein Tod geschah schneller, als du das Wort sterben aussprechen kannst. Ich hockte unter der Guillotine und leckte das Blut.

Der Herr meines ersten Lebens nämlich war niemand anderer als: Camille Desmoulins, der Bestürmer der Bastille, der schneidigste Reden und Artikelschreiber der Revolution, der berühmte, berüchtigte und beliebte … – Halt! Höre ich dich rufen. Du fragst: Woher weiß er das? Er ist ein Kater. Er war ein Kater. Er wird immer ein Kater sein. Was wissen Katzen über uns Menschen und über unsere Geschichte? Was maßt er sich an! – So fragst du, habe ich recht? – Und woher bitte sollte er wissen, was eine Guillotine ist? Und was ein Revolutionär ist? Und woher obendrein wusste er damals, dass sein Herr der berühmte, berüchtigte und beliebte Camille Desmoulins ist?

Auch wenn du den Fluss meiner Erzählung schon an seiner Quelle hemmst, was mir lästig ist, gebe ich doch zu, deine Fragen sind berechtigt. Also noch einmal von vorne – diesmal werde ich zunächst von mir selbst sprechen; denn darüber kann niemand mich belehren.«

Michael Köhlmeier »Matou«