Lesungskritik: Von Dandys und knurrenden Hunden

Frühlings-Mix im Literaturhaus München

Rennen zwei Polizisten in Ku-Klux-Klan-Gewändern durch den Wald und treffen einen dreibeinigen Hund hinterm Zaun. Sagt der eine: »Gute Nacht, Hermann«.
Basta. – Nee, gar nicht! Das war nur die knappste Zusammenfassung von Jan Soekens Lesung und Auftritt beim gestrigen »Frühlings-Mix« im Literaturhaus, der so unterhaltsam und schön war, dass wir uns nun beim Erzählen vorkommen, wie vor der frisch eröffneten Eisdielentheke, darin lauter sehr appetitliche Sorten in prall gefüllten Stahlkübeln.

Lilian Loke im Gespräch mit Karolina Kühn
Lilian Loke im Gespräch mit Karolina Kühn

Als sei’s für München geschrieben hat der Abend mit LILIAN LOKE begonnen, die in ihrem Roman »Gold in den Straßen« (Hoffmann & Campe) – und wie herrlich passten dazu die »West End Girls« von den Pet Shop Boys – von Thomas Meyer, einem Luxusimmobilienmakler erzählt, wie es hier bestimmt einige gibt. Aber wir mochten ihn doch, weil dieser Misanthrop, wie Lilian Loke Karolina Kühn beim Gin Tonic erzählt, dann eben einen Menschen gerne mag: das ist Koll, sein blinder Kollege und Freund mit der wunderbaren Telefonstimme und großen emphatischen Fähigkeit, die Menschen von etwas zu überzeugen. Ihm vertraut er die Abgründe an, die Figuren in Romanen zu Menschen machen. Und wie gut Lilian Loke das kann und mit welcher psychologischen Kenntnis sie auf die Menschen schaut, wurde nicht nur in den beiden Textausschnitten, deutlich, sondern ihr im Gespräch von Karolina Kühn auf ausgesprochen entspannte und feine Weise entlockt. Nein, »Wert ist keine Zahl, Wert ist ein Gefühl.«

Was nun kam war Chefsache. Wie stolz man ist, wenn die eigene Praktikantin zur Autorin wird, erklärte Reinhard Wittmann und man sieht es ihm an, als er SARAH ELISE BISCHOF (Getränk: Inge, das ist Prosecco mit Soda und Ingwersirup, Musik: Hakan Hellström) auf die Bühne begleitet. Warum nicht Roman drauf stehe, auf dem Buch (Eden Books), fragt sie der Chef. »Panthertage« erzählt die Autorin, seien jene Tage an denen ihre epileptischen Anfälle kommen, die fühlen sich wie Raubtiere an, und die Tage danach auch. Und dass man sie bewältigt, mache einen stolz, stolz eben, wie den Gang und die Augen eines Panthers. Willkommen in der Wirklichkeit? Ja und nein, sagt Sarah Bischof, die Figur sei so geschaffen, dass sie möglichst viel preisgebe über die Epilepsie und möglichst wenig über sie selbst, die Autorin. »Deine Eltern stammen also gar nicht aus Schweden«?, will der Chef wissen, und dann, alter Bayer, ganz groß: »Schleswig Holstein ist ja fast in Schweden.« Da hatte der Chef gewonnen! Und das Buch: Es sei all jenen aufs Nachttischchen gelegt, die erfahren wollen, wie man auch dann noch gut lebt, wenn man nicht jeden Tag ganz sicher auf seinen »Honigpfötchen« steht.

Reinhard Wittmann im Gespräch mit Sarah Elise Bischof
Reinhard Wittmann im Gespräch mit Sarah Elise Bischof

Und ja wir gestehen: Dann haben wir uns verkuckt in die wunderbare KRISTINE BILKAU, und die wirklich sehr guten Ausschnitte aus »Die Glücklichen« (Luchterhand). Und sehr gefreut darüber, dass aus der hauseigen geführten Bayerischen Akademie des Schreibens solche Autorinnen herauswachsen. Und dass endlich mal wieder jemand Martini auf Eis trinkt, weil sie das schon früher getrunken hat, als ihr jetziger Mann noch ihr Freund war, und sie gemeinsam auf dem Balkon saßen und Dandys werden wollten: Ja, Dandys. Wir auch! Und dann noch der so schöne Song von Belle & Sebastian, »Waiting for the moon to rise«, und die sensible und zugleich lakonische Genauigkeit des Romantextes über ein glückliches Paar, dessen Leben im Wunsch, alles richtig zu machen, langsam aus den Fugen gerät. Über den Roman ist bereit sehr viel geschrieben worden, das müssen wir nicht mehr tun, wir wollen nur sagen: Lesen! Und Marion Bösker sehr herzlich danken, dass alles vorkam in der Moderation, was uns interessierte! Nicht zuletzt die Gedanken an Sex (»Sachen«), sowie das prekäre Autoreneinkommen und die Kosten für Auftragskiller! »Man kriegt so einen schon für 242.- Euro.« Und wie sie das zusammenbringt: »In der Krise muss man flexibel bleiben«. Tiptop!

Bar
Literatur, Musik & Getränke an der Bar des OskarMaria

Und schließlich das feine Ende: Alke Müller-Wendlandt liebt Graphic Novels und das Komische! Und das ist eine herrliche Kombination, der wir nun eben diese Comic-Live-Show mit JAN SOEKEN zu verdanken hatten. Er kann mit seiner Stimme knurrende Hunde und Polizistensprache und schreibt dem Leben Dialoge ab, dass wir staunen und jubeln zugleich. »Friends« heißt sein Debüt (avant-verlag) und was drin steht, haben wir bereits im ersten Satz gesagt! Dass es der Wirklichkeit abgeschaut ist nicht, und auch nicht, dass es sich bezieht auf zwei Polizisten aus Baden-Württemberg, die, so wurde das 2005 bekannt, nach eigener Aussage nur dem Ku-Klux-Klan beitreten wollten, um Frauen kennenzulernen. Nicht zu glauben. Nach diesem Comic aber gern. Ach so: Man trank Kümmel Sour und hörte Rocko Schamoni (»Der Mond«) beim Freuen!

MI 29.4.15
FRÜHLINGS-MIX
TEXTE, TÖNE, GETRÄNKE & EINE GRAPHIC NOVEL MIT KRISTINE BILKAU, SARAH ELISE BISCHOF, LILIAN LOKE & JAN SOEKEN
Es moderieren: Karolina Kühn, Marion Bösker, Reinhard G. Wittmann & Alke Müller-Wendlandt

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