Moderation: Mirjam Zadoff (NS-Dokumentationszentrum)
»Bilder meiner Mutter beherrschen meine frühen Erinnerungen. Bilder von ihren eleganten Kleidern, ihren dunklen, fast schwarzen Haaren, ihrem Gesicht, das mich liebevoll anschaut. Sie und ich lebten in einer Symbiose, nicht ohne Spannungen, aber doch innig miteinander verbunden, wochenlang ganz auf uns allein gestellt, damals in meinen ersten Jahren, als mein Vater nur selten zu Hause war – sie, diese für mich einzigartige, alles bestimmende Person, und ich, ihr kleiner Sohn, ihr erstes Kind.«
Martin Doerry »Lillis Tochter«
Als die jüdische Ärztin Lilli Jahn im Sommer 1943 von den Nazis verschleppt wird, muss ihre Tochter Ilse die Verantwortung für sich und ihre drei jüngeren Schwestern übernehmen. Sie ist 14 Jahre alt. Ihre traumatischen Erfahrungen wird sie lange verschweigen, erst mit Veröffentlichung des Briefwechsels zwischen der in Auschwitz ermordeten Lilli Jahn und ihren Kindern in Martin Doerrys gefeiertem Buch »Mein verwundetes Herz« (2002) beginnt Ilses Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Ihr Sohn Martin Doerry, Historiker und langjähriger Spiegel-Journalist, erzählt die Geschichte der Familie nun fort. Sein neues Buch (DVA) ist Familienbiografie und Zeitzeugnis zugleich – und das bewegende literarische Denkmal für die Mutter.