Moderation: Christine Lemke-Matwey
»Kinderfantasie, sollte man meinen, legt sich schon auf die Dauer. Nicht bei ihr, sie kann es noch immer. Das kommt ihr zupass, wenn sie eine Komposition entwirft, sie im Kopf überblickt, sämtliche Details bedenkt, ohne das Ganze loszulassen. Da ist sie mittendrin, und außerhalb davon ist nichts. Seit sie weiß, dass das nicht jeder kann, betrachtet sie es als eine Gabe, als ein beunruhigendes Talent.«
Anna Enquist »Die Seilspringerin«
Musikkarriere und Mutterschaft – passt das zusammen? Dieser Frage muss sich Alice stellen, als sie vom Königlichen Symphonieorchester in Amsterdam einen großen Kompositions-Auftrag erhält. Sie wird bald vierzig, und der Wunsch, Mutter zu werden, tönt mit jedem Tag lauter als die Musik, die sie erschafft. Anna Enquist, selbst Konzertpianistin, ist eine der markantesten literarischen Stimmen der Niederlande. Mit psychologischem Feingefühl erzählt sie in ihrem neuen Roman von einer Künstlerin, die im Spannungsfeld zwischen Familie und Kunst zu zerbrechen droht (Luchterhand // dt. von Hanni Ehlers). Wie erleben Anna Enquist im Gespräch mit der Dirigentin Ustina Dubitsky, die im April 2024 an der Bayerischen Staatsoper mit der Neuproduktion »Lucrezia/Der Mond« debütierte.
»Wie wird man eigentlich Komponist? Wie wurde sie Komponistin, und warum? Der Schlagzeuglehrer an der Musikschule hatte sicher etwas damit zu tun. Es gebe alte Musik, und es gebe neue Musik, erzählte er. Früher sei das Publikum neugierig auf neue Kompositionen gewesen, und heute wollten die Menschen lieber alte Musik hören. Aber wir müssen weiter, hatte er kurz auflachend gesagt, die Musik steht nie still, und es gibt immer Musiker, die in ihrem Kopf die Musik hören, die noch nicht existiert. Die kannst du aufschreiben. Das tut der Komponist.«