Warum eine Ausstellung zur Demokratie im Literaturhaus München? Was macht einen politischen Menschen aus? Wie wird man zum Demokraten und bleibt es? Wie verteidigt man seine Haltung – und wie erhält man sie?
Die Idee zu dieser Ausstellung entstand nach Lektüre des jüngsten Werks von Frido Mann, »Das Weiße Haus des Exils« (S. Fischer) und konkretisierte sich in einer Reihe von Gesprächen, die ich mit dem heute in München lebenden Enkel Thomas Manns darüber führte. In seinem Buch, das wenige Monate vor der Eröffnung des Thomas Mann House durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier entstand, unternimmt Frido Mann eine Reise in das kalifornische Haus seines Großvaters, wo er wichtige Jahre seiner Kindheit verbrachte. Er schreitet von Zimmer zu Zimmer, verschränkt Kindheitserinnerungen mit den historischen Ereignissen der Zeit und den Reaktionen seiner Familie darauf und setzt diese in Beziehung zur Demokratie-Debatte der Gegenwart.
Dieser Ansatz – persönlich-biografische Erinnerungen eingebettet in zeitgeschichtliche Zusammenhänge und in Beziehung gesetzt zur politischen Gegenwart – inspirierte uns dazu, die aktuelle Debatte um die Demokratie am Beispiel Thomas Manns zu veranschaulichen.
Zentrales Gestaltungselement ist der stilisierte Nachbau des Thomas Mann House in Pacific Palisades: die Fassade in Originalhöhe, das Arbeitszimmer Thomas Manns und der Living Room mit seinem Zugang zur Terrasse und die Terrasse selbst. Der Innenraum ist als konzentrierter Studierort gestaltet, ganz im Geist des bürgerlichen 19. Jahrhunderts; hier verfasste Thomas Mann seine Rundfunkansprachen an die »Deutschen Hörer«; von hier blickte er auf das zunehmend zerstörte Europa; hierhin zog er sich zurück, um sich seinem Daseinsgrund, der Literatur, zu widmen. Die Terrasse weitet den Blick in die multimediale Gegenwart; und damit ändert sich das Medium vom geschriebenen und gesprochenen Wort zum Bewegtbild. Die Entwicklung der Demokratie ab den 1960er-Jahren – mit ihren Fortschritten, aber auch Rückschlägen – zeigt die Ausstellung anhand einer Auswahl ikonischer Bilder und Filmausschnitte.
Die klare Unterscheidung von Innenraum und Außenraum versinnbildlicht Thomas Manns lebenslanges Hadern: Zwischen dem Wunsch nach Zurückgezogenheit und Innerlichkeit und seinem Verantwortungsgefühl, sich politisch-öffentlich zu äußern und zu engagieren. Heute steht das Haus wieder im Dienste des intellektuellen Austauschs und der transatlantischen Verständigung.
Die Begriffe Herkunft, Zeitgeist, Bekenntnis, Handeln, Verantwortung strukturieren die Ausstellung – und zeigen die Ambivalenzen, die selbst ein demokratisches System nicht aufheben kann. Die Ausstellung versteht sich als Beitrag zur aktuellen Debatte. Sie möchte im Sinne Thomas Manns zur »Wiedererinnerung, Wiedererörterung und Bewusstmachung« der Demokratie und zu ihrer »Erneuerung im Gedanken und im Gefühl« beitragen.
»Wir haben Fenster und Türen ausgewechselt, wir haben neue Böden verlegt – aber die tragenden Wände und die Fundamente wurden niemals angetastet. Und langsam merken wir, dass uns dieses Gebäude im 21. Jahrhundert wohl keinen ausreichenden Schutz gewährt.«
Lukas Barfuß in seinem Essay »Die Demokratie ist tot — Es lebe die Demokratie« zum Katalog der Ausstellung
Unser Dank geht an unsere Kooperationspartner, das Thomas Mann House und seine Leiterin Heike Catherina Mertens; an Stephan Lessenich, LMU München; an Fabio Kühnemuth, Filmhistoriker Marburg; an die Autorinnen und Autoren der Beiträge unserem Katalog: Lukas Bärfuss, Frido Mann, Friedhelm Marx, Hedwig Richter und Alex Ross; an die Archive, privaten Leihgeber und den S. Fischer Verlag für die großzügige Überlassung von Rechten.
Ein persönlicher Dank geht an Costanza Puglisi und Florian Wenz für die ideenreichen Bauten, an meine engagierten Mitstreiterinnen im Kuratorium: Kerstin Klein (Lübeck), Karolina Kühn (Literaturhaus) und Anna Seethaler (Assistenz). Und an Professor Frido Mann für seine inspirierende Energie bei der Frage, die uns alle beschäftigt: Wie lässt sich Demokratie erhalten, verteidigen, weiterentwickeln?
PRESSESTIMMEN ZUR AUSSTELLUNG
»Münchens Literaturhaus aktualisiert das Demokratieverständnis von Thomas Mann. Dabei begeistert die Ausstellung ›Democracy Will Win‹ mit einer klugen Szenographie…«
Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Überhaupt ist die Ausstellung ›Thomas Mann. Democracy will win!‹ letztlich ein einziges Plädoyer: dafür, die einsturzgefährdete Demokratie ständig weiterzuentwickeln, ihr Gerüst zu stabilisieren. Es geht, um es mit den Worten Manns zu sagen, um ihre ›Erneuerung im Gedanken und im Gefühl‹.«
Antje Weber, Süddeutsche Zeitung
»Die Ausstellung verbindet Mediengeschichte mit Medienperformance – und am Ende dieser lebhaften Kontroversen wird es im November dieses Jahres bei den Präsidentschaftswahlen in den USA hoffentlich heißen: DEMOCRACY FIRST!«
DIRK HEISSERER, ABENDZEITUNG
»Beim Villen-Besuch im Literaturhaus darf jeder auch in den Garten hinaus. In weißen Würfeln dort spiegeln zahlreiche Filme unseren Umgang mit Demokratie seit damals: zwischen Rainer Werner Fassbinder und Igor Levit, Hannah Arendt und Greta Thunberg, Geflüchteten und Edward Snowden.«
SIMONE DATTENBERGER // MÜNCHNER MERKUR
THOMAS MANN:
»DEMOCRACY WILL WIN!«
28.5.20 – 6.11.21
Eine AUSSTELLUNG des Literaturhauses München in Kooperation mit dem Thomas Mann House, Pacific Palisades // gefördert vom Auswärtigen Amt, Berlin
NEUE ÖFFNUNGSZEITEN: täglich 11-18 Uhr
Bitte beachten Sie unsere SCHUTZ- & HYGIENEMASSNAHMEN
KATALOG zur Ausstellung mit Beiträgen von Frido Mann, Friedhelm Marx, Hedwig Richter u.a. ist erhältlich in der Galerie für 15.- Euro (Bestellungen an ausstellungen@literaturhaus-muenchen.de, Versand plus 5.- Euro)
#democracywillwin