1923 hielt Siegfried Lichtenstaedter es für möglich, was 1933 begann: Dass die Juden in Deutschland »totgeschlagen und ihre Güter den ›Ariern‹ gegeben« würden. 1926 beobachtete er, wie Vernichtungswünsche gegen die Juden immer populärer wurden. Eine mörderische Kampagne mündet in der Forderung »das ganze Volk Israel unschädlich zu machen«. »Als aktiver Beamter, noch dazu Jude«, veröffentlichte Lichtenstaedter seine mit jüdischem Witz verfeinerten Geschichten und Prognosen unter Pseudonymen. Als Oberregierungsrat in der bayerischen Finanzverwaltung tätig wurde er 1942 von München nach Theresienstadt deportiert und dort im gleichen Jahr ermordet. Vor dem Hintergrund gegenwärtiger ethnischer und religiöser Konflikte hat der mehrfach ausgezeichnete Historiker Götz Aly die wichtigsten Texte Lichtenstaedters ausgewählt und zusammengestellt (Fischer Verlag). Viele Texte lesen sich so, als seien sie gestern für uns Heutige geschrieben.