Moderation: Tanja Graf
»Ein paar heiße Julitage lang muss ich mich zum Leben überreden. Mit stumpfer Teilnahmslosigkeit gehe ich die täglichen Wege, grüße die Nachbarn, führe meinem Körper Nahrung und Flüssigkeit zu und wundere mich über sein tadelloses Funktionieren. Komm steh auf, das wird schon, rede ich mir nach dem Aufwachen gut zu, los, trink einen Kaffee, dusch dich kalt ab, dann wird es gehen.«
Daniela Krien »Mein drittes Leben«
Linda, Kuratorin für eine Kunststiftung, ist verheiratet mit Richard, einem Maler. Sie sind glücklich, arglos, gut situiert. Bis sie durch einen Unfall ihre Tochter verlieren. Linda wird in eine übermächtige Trauer gerissen. Sie wendet sich ab – von ihrem Beruf, ihrer Ehe, ihrem Leben in der Stadt – und zieht in ein altes Haus in einem kleinen Dorf. Und doch kommt irgendwann, ganz langsam, das Leben zurück. Vorsichtig und in klarer, reduzierter Sprache lotet Daniela Krien (»Irgendwann werden wir uns alles erzählen«, »Die Liebe im Ernstfall«) die Tiefe menschlicher Beziehungen aus. Ihr neuer Roman (Diogenes) erzählt von den feinen Fäden, die uns in der Welt festhalten, von unverhofften Lebensmenschen und der eigenen, verborgenen Kraft.
»Ich kann wieder lesen. Nach Sonjas Tod war es unmöglich geworden. Keine zehn Minuten konnte ich mich auf etwas konzentrieren, und jeder Text erzeugte Bilder, deren Inhalte zwanghaft Anschluss suchten an das Leben meiner Tochter. Bis vor Kurzem gab es nur vier Bücher in diesem Haus: Ein Vogelbestimmungsbuch, eines über Hundeerziehung und zwei übers Gärtnern.«