»Wegen eines einzigen Liedes/verrotten meine Ohren«,
so beginnt das Gedicht »Für ein Lied und hundert Lieder«. Dieses Lied hat es gegeben, gedichtet von Liao Yiwu nach dem 4. Juni 1989, dem Tag des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens. »Massaker« heißt es auch und bildete den Anstoß für unendliche Verfolgungen, für Haft, Zensur, Erniedrigungen des chinesischen Autors. Es ist eine der meistens namenlosen Geschichten der Rechtlosigkeit. Liao Yiwu aber hat Zeugnis abgelegt, in Gedichten und Liedern und einer 500seitigen Chronik des chinesischen Gulags, mit der er sich an die Seite von Autoren wie Alexander Solschenizyn, Ossip Mandelstam oder Warlam Schalamow stellt. Seine Auftritte, die ihm im Westen verweigert wurden, sind Gesamtkunstwerke von Lyrik, Musik und Schauspiel. Im Juni hat er sich bei einer Reise nach Berlin in den Westen abgesetzt. Eine seiner wenigen Auftritte in Deutschland führt ihn in unser Literaturhaus – eine große Ehre. Stefan Wilkening liest, der Autor und Sinologe Tilman Spengler moderiert.
Neue Zürcher Zeitung vom 23.8.2011: Lieder eines Mundtoten. Liao Yiwus erschütterndes Buch über seine Gefängniszeit