So 17.11.19 // 19 Uhr // Saal
Foyer-Bar ab 18 Uhr
Literaturfest München 2019: forum:autoren

›Der Sekretär‹ &  ›Der Funktionär‹

Filmabend mit Jürgen Böttcher & Andreas Goldstein

Moderation: Bert Rebhandl (Filmkritiker)

Zwei Porträts über staatstragende DDR-Persönlichkeiten: Die Regisseure zeigen ihre Dokumentarfilme und sprechen über den sich wandelnden Blick auf die damaligen politischen Verhältnisse.

50 Jahre liegen zwischen diesen Dokumentarfilmen – und damit neun Jahre mehr, als es das Land, von dem sie erzählen, gab. Jürgen Böttcher, 1931 in Frankenberg geboren, studierte in den 1950er-Jahren Malerei in Dresden und danach Regie in Babelsberg. Weil er gemerkt hätte, dass Malerei in dem System nicht helfe, habe er Filme gemacht, sagte er in einem Interview. Angesiedelt waren diese meist in der Arbeits- und Kunstwelt. Sie zeigten einfache Menschen in ihrem Alltag – und wirkten inhaltlich und formal wegweisend für nachfolgende Künstlergenerationen.

In »Der Sekretär« (1967) porträtierte Böttcher den Parteifunktionär Grimmer im Chemiekombinat Buna. Vordergründig scheint er ein Arbeiter unter vielen Frauen zu sein. Er begegnet ihnen auf Augenhöhe, spricht ihre Sprache, kümmert sich ums Betriebsklima und die Weiterbildung der Arbeiterinnen – und bleibt zugleich der Repräsentant des Staates.

Andreas Goldstein wurde 1964 als Sohn von Klaus Gysi in die Tradition einer jüdischkommunistischen Familie hineingeboren. Der meist abwesende Vater blieb ihm indes merkwürdig fremd. Dieser folgte seit dem Eintritt in die KPD den Entscheidungen seiner Partei: als Emigrant, als illegaler Funktionär in Berlin der Nazizeit oder in der DDR als Leiter des Aufbau-Verlags, Kulturminister, Botschafter und Staatssekretär für Kirchenfragen.

Goldstein studierte wie Böttcher Regie in Babelsberg und als Meisterschüler an der Akademie der Künste Berlin. In seinem Film-Essay »Der Funktionär« (2018 ) geht er knapp 30 Jahre nach dem Ende der DDR und 20 Jahre nach dem Tod Gysis auf Spurensuche. Weil Goldstein den Anspruch des Vaters ernst nimmt, entsteht in Nähe und Distanz das kritische Porträt eines Funktionärs, der seine Ideale nach 1990 »Illusionen« nannte – und die DDR eine Diktatur.