Mo 18.11.19 // 20.30 Uhr // Saal
Literaturfest München 2019: forum:autoren

Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin

Ein Abend für Thomas Brasch

Mit Marion Brasch & Andreas Keller

In einer Collage aus Texten, Szenen und Film erzählt die Schriftstellerin Marion Brasch gemeinsam mit dem Schauspieler Andreas Keller von ihrem Bruder, dem »Dissidentendichter« Thomas Brasch.

Was es bedeutete, als Tochter eines SEDFunktionärs und stellvertretenden Kulturministers mit drei Brüdern aufzuwachsen, von denen zwei öffentlich gegen die DDR-Politik protestierten – das beschrieb Marion Brasch 2012 in ihrem fulminanten Debütroman »Ab jetzt ist Ruhe«.

Im Zentrum dieses Abends steht der älteste der vier Geschwister: Thomas Brasch (1945–2001) wurde 1968 wegen des Verteilens von Flugblättern verurteilt und nach der Entlassung auf Bewährung als Fräser in eine Fabrik geschickt. 1976 stellte er infolge der Ausbürgerung Wolf Biermanns einen Ausreiseantrag, siedelte über – konnte aber weder in der BRD noch im vereinten Deutschland je wieder heimisch werden.

In ihrer szenischen Lesung kombinieren Marion Brasch und Andreas Keller vom Schauspiel Leipzig erzählerische Passagen mit Tagebucheinträgen von Thomas Brasch, internen Berichten des Ministeriums für Staatssicherheit, Originalfilmmaterial und nachgestellten Szenen sowie Auszügen aus Braschs literarischem Werk, das in der DDR nicht publiziert wurde.

»Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin«: München hatte Brasch bei dieser berühmten Gedichtzeile sicher nicht im Sinn. 1981 nahm er für sein Regiedebüt »Engel aus Eisen« den Bayerischen Filmpreis an – und damit auch »das Geld aus den Händen des Staates, gegen den ich arbeite«. Bei der Vergabe im Cuvilliés-Theater mit dem damaligen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß dankte Brasch erst »der Filmhochschule der DDR für meine Ausbildung«, dann der Jury des Bayerischen Filmpreises für die Auszeichnung – und zuletzt »den Verhältnissen für ihre Widersprüche«.

Diese beschäftigten ihn ein Leben lang. Kurz vor der Premiere seines Films in Cannes hatte er seine Schwester Marion am Telefon gefragt: »Bin ich noch der Dissidentendichter aus Ostberlin, oder bin ich jetzt ein berühmter Regisseur?«