14.10.06 - 12.11.06

Ausstellung

ungarnaufstand 1956

50 fotografien von stefan moses

Stefan Moses, geb. 1928, gehört zweifellos zu den bedeutendsten Fotografen der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Fotojournalistische Arbeiten korrespondieren mit Konzept- und Life-Fotografie und verbinden sich zu einer neuen Bildsprache. Er ist der Porträtist der Künstler und Intellektuellen und bleibt gleichzeitig mit unbekannten Deutschen aus allen Teilen der Republik im Dialog. Seine Bildgeschichten entwerfen ein umfangreiches psychologisches Panorama der deutschen Nachkriegsgesellschaften. Die Deutschen und ihr Land wurden zu seinem Lebensthema. Nach seiner Übersiedlung nach München 1950 arbeitete Stefan Moses fotojournalistisch bis 1968 für die Neue Zeitung, für den Kindlerverlag mit Revue und Das Schönste, für Magnum, stern und Spiegel, bevor er mit seinen freien Projekten begann.

Mit einem Volksaufstand versuchten die Ungarn im Oktober 1956, sich von der sowjetischen Unterdrückung zu befreien. Er begann am 23. Oktober 1956 mit einer Großdemonstration in Budapest und endete am 4. November 1956 durch den Einmarsch der Roten Armee. An nur einem Tag und in einer Nacht fotografierte Stefan Moses mitten im brodelnden Budapest die leidenden Menschen des niedergeschlagenen Aufstands. Nicht nur die Barrikaden und russischen Panzer – er findet, was viel mehr von Gewalt und Besetzung kündet: Die trauernden Kinder, die nach ihren Angehörigen suchenden Erwachsenen. Bis in die späten 60er Jahre gab es die großen Jahre des klassischen Fotojournalismus in Deutschland. Die hier neuentdeckten 50 schwarzweißen Bilder gehören zu den verwehten fotografischen Spuren dieser Zeit.

KOLLOQUIUM
Das Ungarische Institut München und die Nationalbibliothek Széchényi (Budapest) veranstalten am Freitag, 13.10., 10-16 Uhr im Literaturhaus das Kolloquium »Neue Quellenstudien zur ungarischen Revolution von 1956« (www.ungarisches-institut.de).

CHRONIK
1953
4. Juli: Stalinist Mátyás Rákosi gibt auf sowjetischen Druck das Ministerpräsidentenamt an Imre Nagy ab 1955
Februar-April: Rákosi verdrängt Nagy aus seinen politischen Ämtern
1956
März: Gründung des Petöfi-Kreises in Budapest und Forderung nach Demokratisierung
28. Juni: Beginn der Streikbewegungen in Polen
17. Juli: Absetzung Rákosis als Generalsekretär der KP, Ernö Gerö wird Nachfolger
16. Oktober: Gründung eines unabhängigen Studentenverbands in Szeged
23. Oktober: Budapester Solidaritätskundgebung für polnische Reformer wird zur Demonstration für Wiedereinsetzung Nagys und Abzug sowjetischer Truppen. Ungarischer Staatssicherheitsdienst ÁVH schießt auf Demonstranten vor dem Budapester Rundfunkgebäude. Teile der Bevölkerung bewaffnen sich, das Stalin-Denkmal wird gestürzt
24. Oktober: Erste sowjetische Intervention, Ausnahmezustand. Nagy wird wieder Ministerpräsident und bildet Regierung unter Beteiligung von Nichtkommunisten
25. Oktober: Großdemonstration vor dem Budapester Parlamentsgebäude endet mit einem von ÁVH und sowjetischen Einheiten verursachten Blutbad. Absetzung Gerös, János Kádár neuer Generalsekretär der KP
28. Oktober: Arbeiter- und Revolutionsräte sowie Nationalkomitees nehmen verstärkt an der Ausübung der Staatsgewalt teil. Nagy verkündet Abzug sowjetischer Truppen aus Budapest, Auflösung des ÁVH und Beginn von Verhandlungen über Rückzug der gesamten sowjetischen Streitmacht aus Ungarn. In Moskau Planungen zur Verstärkung der militärischen Operationen gegen Ungarn 30. Oktober: Nagy verkündet Abschaffung des Einparteien- systems in Ungarn. Befreiung von József Kardinal Mindszenty aus seinem Hausarrest. Kádár spricht sich als Staatsminister der Nagy-Regierung für Einführung des Mehrparteiensystems aus. Verlustreicher Angriff von Aufständischen auf die Budapester Parteizentrale der Kommunisten, dabei fallen Angehörige der Wachmannschaft der Lynchjustiz zum Opfer
31. Oktober: Amerikanischer Präsident versichert der Sowjetunion, daß die Vereinigten Staaten von Amerika die Nagy-Regierung nicht zu ihren potentiellen Verbündeten zählt. Sowjetische Truppen verlassen Budapest, Moskau beschließt Niederschlagung der Revolution
1. November: Neue sowjetische Truppenbewegungen in Ungarn. Moskau bestimmt Kádár als Chef einer Gegenregierung. Nagy erklärt Ungarns Austritt aus Warschauer Pakt sowie Neutralität und bittet die UNO um Unterstützung
3. November: Kádár wechselt die Seite und bildet die Gegenregierung. Kardinal Mindszenty bittet vor Journalisten um politische und wirtschaftliche Hilfe des Westens. Beginn ungarisch-sowjetischer Gespräche über sowjetischen Truppenabzug im Budapester Parlamentsgebäude, am Abend ebendort internationale Pressekonferenz zweier Staatsminister der Nagy-Regierung. Etwa gleichzeitig werden Verteidigungsminister Pál Maléter und andere Führer der Nationalgarde bei offiziellen Verhandlungen über die Beendigung
der militärischen Besetzung von den Sowjets verhaftet
4. November: Zweite sowjetische Intervention. Nagys Ansprache im Parlament an das ungarische Volk und die ganze Welt wird über das Freie Radio Kossuth mehrfach in verschiedenen Sprachen ausgestrahlt. Rundfunkansprache Kádárs aus dem sowjetischen Uzgorod, darin Bekanntgabe der Gegenregierung und ihres »Hilfeersuchens« an die sowjetische Führung, in Ungarn militärisch einzugreifen. Beginn der Massenflucht von etwa 200.000 Ungarn in den Westen bis Ende Dezember 1956. Nagy und Mitarbeiter flüchten aus dem Parlament in die jugoslawische, Kardinal Mindszenty in die amerikanische Botschaft (wo er bis 1971 verbleibt)
7. November: Kádár-Regierung legt Eid ab (rechtmäßige Nagy-Regierung tritt nicht zurück)
November: Streikwellen erfassen Ungarn. Generalversammlung der UNO behandelt ungarische Frage, amerikanische Regierung verzichtet auf Maßnahmen, die zur Fortsetzung des bewaffneten Aufstands in Ungarn ermutigen könnten. Militärischer Widerstand bricht allmählich zusammen
22.-23. November: Nagy und Mitarbeiter werden nach Verlassen der jugoslawischen Botschaft vom KGB entführt
Dezember: Politische Gespräche zwischen Kádár-Regierung und Arbeiterräten scheitern. Beginn der Vergeltungsaktionen, erste Todesurteile
1958
16. Juni: Nach geheimem Scheinprozeß mit mehreren Todes- und schweren Gefängnisstrafen Hinrichtung
von Nagy und Maléter
1961
26. August: Vollstreckung des letzten Todesurteils für Beteiligung an der Revolution
1963
21. März: Generalamnestie für inhaftierte Revolutionäre, Aufstand bleibt aber bis 1989 als »Konterrevolution« politisch tabuisiert