Fr 29.2.08 // 20 Uhr // Saal
Adelbert-von-Chamisso-Preis

Adelbert-von-Chamisso-Preis 2008: Viele Kulturen – eine Sprache

Mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ehrt die Robert Bosch Stiftung seit 1985 herausragende literarische Leistungen deutsch schreibender Autorinnen und Autoren, deren Muttersprache oder kulturelle Herkunft nicht die deutsche ist. Damit ist dieser im literarischen Leben des deutschsprachigen Raums bestens etablierte und allseits anerkannte Preis der einzige seiner Art in Deutschland.

Der mit 15000 Euro dotierte Adelbert-von-Chamisso-Preis 2008 geht an den 1978 im bosnischen Višegrad geborenen, seit 1992 in Deutschland lebenden Saša Stanišić. Er erhält den Preis für seinen 2006 erschienenen Debütroman »Wie der Soldat das Grammofon repariert« (Luchterhand Literaturverlag). Erzählt wird die Geschichte des bosnischen Jungen Alexander, der scheinbar spielerisch über sein Leben berichtet und dabei zwangsläufig, aus der Sicht eines Kindes und ohne den Krieg direkt zu thematisieren, vom beängstigenden und oft brutalen Alltag inmitten der balkanischen Kriegswirren erzählt. Sein tragikomischer, nahezu burlesker Roman über eine außergewöhnliche Kindheit in einer außergewöhnlichen Zeit hat die deutschsprachige Gegenwartsliteratur entscheidend bereichert.

Die mit jeweils 7000 Euro dotierten Förderpreise zum Adelbert-von-Chamisso-Preis 2008 erhalten die 1973 in Ungarn geborene, seit 1994 in Deutschland lebende Schriftstellerin Léda Forgó sowie der 1972 in Brno / Brünn geborene, als Schriftsteller, Übersetzer, Herausgeber und Journalist in Wien lebende Michael Stavarič.

Léda Forgó wird für ihren 2007 erschienenen, im politisch bewegten kommunistischen Ungarn spielenden ersten Roman »Der Körper meines Bruders« geehrt (Atrium Verlag). Die Hauptfigur und Ich-Erzählerin Borka verliert ihren Zwillingsbruder Palkó, und mit seinem gewaltsamen Tod bricht für sie eine Welt zusammen. In ihrer Verzweiflung versucht sie, Palkós Rolle mit einzunehmen – damit die Erinnerung an ihn nicht verblasst. In engster, fast symbiotischer Verbindung mit ihrer Mutter versucht das heranwachsende Mädchen, sein Leben zu meistern. Léda Forgós sprachlich hochsensibler, fast filmisch strukturierter Familienroman mit dramatischen Zügen stellt eine beachtliche literarische Leistung dar.

Michael Stavarič erhält den Förderpreis für seinen 2007 erschienenen Roman »Terminifera« (Residenz Verlag). In präzise gearbeiteter expressiver Prosa umkreist der Autor die Albtraumvisionen des in einem düsteren Heim am westösterreichischen Arlberg aufgewachsenen Wiener Krankenpflegers Lois. Unter dem Fundament der österreichischen Hauptstadt vermutet Lois eine von Ameisen errichtete Megacity – und sieht seine eigenen Lebensängste in den haarigen Wanderheuschrecken vom Typ »Terminifera« gespiegelt, die er auf seinem Fensterbrett entdeckt … Schon »stillborn« (2006), der erste Roman von Michael Stavarič, war von der Kritik hoch gelobt worden.

Moderation: Lerke von Saalfeld (Literaturkritikerin, Stuttgart)