17.9.98 - 11.10.98

Ausstellung

Terra obscura

Joseph Gallus Rittenberg

Fotobilder von 1980-1998

Friederike Mayröcker und Ernst Jandl sitzen nebeneinander auf einem Sofa, sie mit Prinzessinnenkrönchen, er mit Clownsnase – von Fasching keine Spur. Heiner Müller steckt im Gully und Günter Grass ist neben einer Mülltonne zu sehen.
Ob sie nun als provokativ, poetisch, ausgefallen, rätselhaft oder gar unverständlich empfunden werden, eines steht im Hinblick auf Joseph Gallus Rittenbergs »Photobilder« fest: sie lassen den Betrachter nicht mehr los, es scheint fast, als verfügten sie über Widerhaken, durch die sie sich im Gedächtnis derer, die mit ihnen konfrontiert werden, verankern. Am besten lässt sich diese Ausdrucksstärke von Rittenbergs Arbeit wohl mit seinen eigenen Worten beschreiben:

»Meine Bilder kann man nicht abwürgen – sie würgen zurück«

DER SPIEGEL 46 / 1995

Mit eindeutigen und endgültigen Bedeutungszuweisungen hat man es bei Joseph Gallus Rittenbergs Werk schwer. In diesen Bildern entsteht Bedeutung vor allem durch die räumliche Spannung im Verhältnis zwischen Person und Umfeld: Fast immer ist die abgebildete Person nur am Rand zu sehen, sie ist aus dem Zentrum des Bildes und des spontanen Blicks verdrängt. Diese unkonventionelle Gewichtung von Zentrum und Peripherie nötigt auch dem Betrachter die Umstellung auf einen neuen Blickwinkel, ein neues Sehen ab.

Nach den Ausstellungen der letzten Jahre im Pariser Centre Pompidou, in Brüssel, London und New York sind Rittenbergs Arbeiten nun mit »Terra obscura« erstmals auch in München zu sehen, wo der 1948 geb0rene Österreicher seit Anfang der siebziger Jahre lebt. Die Ausstellung umfasst neben einigen bekannten auch viele neue, insgesamt knapp sechzig Porträts und ebenso viele Texte, Reaktionen und Stellungnahmen der abgelichteten Personen auf diese Aufnahmen.

Durch dieses Zusammenspiel von Bild und Text, von Fotografierendem und Fotografierten wird unter anderem auch das Prinzip der Entstehung von Rittenbergs Porträts illustriert. Bevor der Fotograf Rittenberg jemanden porträtiert, arbeitet er sich erst in das Werk der betreffenden Person ein, erwartet dann aber auch die entsprechende Mitwirkung:

»bei mir müssen sich die Leute in meinen Bildern beweisen, sonst mach ich’s nicht«

DER SPIEGEL 46 / 1995

Trotz internationaler Anerkennung und zahlreicher Auszeichnungen (u.a. den Kodak-Fotokalenderpreis 1997 für seinen Kalender »See the music«“) ist Joseph Gallus Rittenberg wie sein Werk geblieben: voller Kontraste, schwer zu fassen, voller Inszenierungen und doch nüchtern und gerade dadurch aufs engste mit der Wirklichkeit verbunden, ein Künstler, den Wolfgang Höbel einmal als ein »Genie an der Kamera – und ein Meister des Mißmuts« sehr treffend beschrieben hat.