›Gestatten, Kästner‹

Von der Idee zur Ausstellung

»Die Geschichte fängt noch gar nicht an« …

DIE IDEE
Ausstellungsbrainstorming im Literaturhaus. Seit über fünfzehn Jahren gab es keine große Erich Kästner-Ausstellung mehr. Warum eigentlich nicht? Dabei hat Erich Kästner fast dreißig Jahre in München gelebt! Zudem gibt es einen spannenden, nicht in allen Details erforschten Nachlass, der seit einigen Jahren im Deutschen Literaturarchiv in Marbach liegt und – zusammen mit anderen Exponaten aus Archiven und Privatbesitz – nur darauf wartet, der Öffentlichkeit präsentiert zu werden. Dann, im Juli 2014, eine Mail aus dem Atrium-Verlag: 2015 feiert der 1935 für Kästners Werke gegründete Verlag sein 80-jähriges Jubiläum. Eine Kästner-Ausstellung also?

»So, nun wollen wir aber endlich anfangen!« …

DIE ENTSCHEIDUNG
Was aber wollen wir von Kästner zeigen? Kuratieren heißt schließlich auch auswählen.
Wir diskutieren:

»Seine Münchner Jahre sind noch nicht so erforscht – ›Die Neue Zeitung‹, das Kabarett, das politische Engagement…«
»Aber in Berlin hat er doch seine besten Werke verfasst! ›Emil und die Detektive‹, ›Fabi­an‹, die Lyrik …«
»Besonders spannend sind doch eigentlich die Bereiche, die weniger bekannt sind: seine unveröffentlichten Texte oder der geplante große Roman über den Nationalsozialismus!«

So sprechen wir über Schwerpunkte und Möglichkeiten. Die Recherche beginnt. Wir lesen und diskutieren, lesen weiter. Die Entscheidung fällt: Erich Kästner: eine Gesamtschau – der bekannte Kästner, aber auch unbekannte Facetten sollen gezeigt werden.

»Jedenfalls, der kleine Erich wird immer berühmter. Da kann man nichts machen.« …

DIE RECHERCHE
Mehr und mehr wird klar: Besonders interessiert uns die moderne Selbstinszenierung und das Doppelgänger-Motiv, das das Werk Kästners für uns anders und neu beleuchtet. Der Kästner-Biograf Sven Hanuschek bestärkt uns in dieser Richtung. Ein erstes Konzept wird ausgearbeitet – das sogenannte Ausstellungs-Drehbuch, in dem steht, was der Besucher dann später liest, sieht und hört …

»Die Detektive versammeln sich« …

AUF DER SUCHE NACH DEN PASSENDEN EXPONATEN
Ein Besuch im Literaturarchiv Marbach zeigt die großen Dimensionen des schriftstellerischen Nachlasses. Archivkasten um Archivkasten wird dort unter die Lupe genommen. Erste Lieblingsexponate tauchen auf: die Versfabrik, in der Kästners Sekretärin die Gedichte für den Versand aufbewahrte; eine Stoffsammlung zum Thema »Doppelgänger«; das Blaue Buch, in dem Kästner in der NS-Zeit Notizen machte. Neben den Exponaten aus Marbach gibt es private Leihgeber und Sammler, die mit besonderen Schätzen, aber auch Skurrilitäten aufwarten. Dann eine Fahrt ins Kinderdorf Oberschwarzach, wo Kästners Bibliothek und persönliche Objekte seit dem Tod seiner Lebensgefährtin Luiselotte Enderle aufbewahrt werden. Hinzu kommen Telefonate mit der Berliner Akademie der Künste und Besuche weiterer Münchner Institutionen wie der Internationalen Jugendbibliothek, die einige der schönen Illustrationen zu den Kinderbüchern verwahrt. Auch wollen wir gerne Film- material aus der Zeit zeigen, die verschiedenen Film- und Rundfunkarchive werden hierzu konsultiert. Jedoch: Viel zu viele Ideen für viel zu wenig Platz!

»Ich werde langsam zu Film« …

DREHBUCH & GESTALTUNG
Bewaffnet mit Konzept, Exponatlisten und Flausen im Kopf geht es zum Gestalter-Team von unodue{ , die nun Vorschläge für eine stimmige räumliche Umsetzung der Inhalte machen. Wie können Exponate geschützt werden und trotzdem eine Gesamt- schau, in der es flirrt und flimmert, entwickelt werden? Was zeichnet Kästner als Autor der Moderne und der Großstädte aus? Welche Symbolik, welche Inszenierung passt am besten zum Doppelgänger-Motiv?

»Die Verkehrte Welt ist noch nicht die verkehrteste« …

DAS KONZEPT AUF DEM KOPF
Die erste Gestaltungsidee ist zwar interessant, aber vielleicht sollte das Konzept doch noch einmal überarbeitet werden? Die zweite Gestaltungsidee passt hervorragend zu den Thesen – aber passt sie wirklich zum Menschen Kästner? Erneutes Kopfschütteln, erneutes Umstellen. Schließlich: der dritte Entwurf: ja, das könnte es sein. Oder? Wieder: Überarbeiten des Drehbuchs, Überarbeiten der Gestaltung, allgemeines Seufzen – trotzdem: Die Ausstellung nimmt Gestalt an!

»Das Vorwort für Laien« / »Das Vorwort für Fachleute« …

ODER: WER IST EIGENTLICH DER AUSSTELLUNGSBESUCHER?
Beim finalen Schreiben der Texte, aber auch bei der Auswahl von Exponaten und Filmmaterial, versuchen wir sie alle im Hinterkopf zu haben: den Experten, der hofft, etwas Neues zu entdecken, den Laien, der zufällig in die Ausstellung stolpert und seinen Weg finden soll – und auch die Kinder, die Kästner lieben, aber sicher keine Lust haben, alte Briefe zu entziffern. Immer wieder sprechen wir über Verständnisebenen, Zeichenzah- len oder Vitrinenhöhen. Und dann: kürzen, kürzen, kürzen…

»Eintritt frei ! Kinder die Hälfte !« …

DIE ERÖFFNUNG
Nach den Sommerferien wird es losgehen: dann werden die Techniker und Beleuchter in der Galerie des Hauses hämmern, sägen und bauen. Die Exponate werden ausgepackt. Am 24. September ist es dann soweit: Die Ausstellung ist eröffnet!
(Zitate der Überschriften aus Erich Kästners »Briefe an mich selber«, »Emil und die Detektive«, Briefe an Ida Kästner, »Der 35. Mai« und »Emil und die drei Zwillinge«.)

GESTATTEN, KÄSTNER!
EINE ERICH KÄSTNER-AUSSTELLUNG DES LITERATURHAUSES MÜNCHEN
25.9.15 – 14.2.16
Galerie (EG)
Leitung: Reinhard G. Wittmann // Kuratorinnen: Karolina Kühn & Laura Mokrohs // Assistenz: Julia Vrooman // Gestaltung: unodue{ münchen

1 Kommentare zu “›Gestatten, Kästner‹”

  1. Ich freue mich schon sehr auf die Ausstellung und werde vorher auf jeden Fall noch Fabian und Emil lesen, damit ich ordentlich vorbereitet bin 🙂

Kommentare sind geschlossen.