Am Ziel!

Das große öffentliche Finale der Schreibwerkstätten für Mittelschulen

»Als ich am Morgen aufwachte und aus dem Fenster sah, war mir, als könnten die Bäume im Hof sprechen.«

Es gibt immer wieder magische Momente bei Lesungen, in denen man spürt, dass Schreiben etwas mit Verwandlung zu tun hat, einem großen »es könnte alles anders sein, auch ich könnte ein anderer sein«. Solche Momente gab es am letzten Dienstag, als 50 Schülerinnen und Schüler aus Münchner Mittelschulen am Nachmittag ins Literaturhaus kamen, um sich für ihren Auftritt am Abend vorzubereiten. Und als erstes rückverwandelten sie unser Literaturhaus, das ja lange vor Gründung des Literaturhauses ein Schule war. Die alten Geister wurden wach, empfingen die Schüler im Treppenhaus, beschenkten sie mit weit hallender Akustik auf den Fluren, so dass mancher Mitarbeiter verwundert aus den Türen schaute, und auch die alte Nervosität vor der Matheklausur war plötzlich wieder da, verwandelt in Lampenfieber vor dem Auftritt. Ich liebe unser Haus an solchen Tagen!

© Madita Scholze
Eine Geheimnisvolle Affäre. Der Auftritt der Mittelschule Inzeller Weg hielt, was der Titel der Geschichte versprach © Madita Scholze

Was davor geschah: Ein Team aus Christine Auerbach, Bumillo, Oliver Brauer, Andrea Funk, Lena Gorelik, Sandra Hoffmann, Beate Schäfer und Fridolin Schley hatte im Auftrag des Literaturhauses seit November Schreibwerkstätten an den vier Mittelschulen der Walliser Straße, der Franz-Nißl-Straße, der Ridler-Straße und der Mittelschule am Inzeller Ring geleitet. Das waren vier verschiedene und manchmal krumme Wege, auf denen zu entdecken war, dass man mit Wörtern spielen kann, laut und leise, dass Geschichten etwas mit eigenen Wünschen zu tun haben, dass gute Erzähler gute Zuhörer verdienen. Noch bei den Generalproben am Nachmittag gab es bisweilen mehr Kakophonie als Generalbass. Aber am Abend war alles gut.

© Madita Scholze
Ich bin ein anderer. Mittelschule Ridler Staße © Madita Scholze

»Als ich am Morgen aufwachte …«.

Aus diesem ersten Satz und dieser alltäglichsten Situation wurden in den Geschichten aus der Mittelschule Ridlerstraße Fantasy-Stories, in den Cyborgs, Helden und Feen Weltrettung betreiben.
Aus Miniaturfiguren wurden am Inzeller Ring »Große Abenteuer«, an der Walliser Straße schlüpften Mädchen und Jungenrollen und probten andere Perspektivwechsel.

Am Ende des Abends trat die neunte Klasse der Schule an der Franz-Nißl-Straße auf, keiner von ihnen ist länger als zwei Jahre in Deutschland, jeder von ihnen kommt aus einem andern Land, Hussein kommt aus Aleppo, Shakir aus Somalia, Amanda aus Ungarn. Ihr Motto »Ich habe einen Traum« in zehn verschiedenen Sprachen gesprochen, ist ein eindrucksvolles Votum gegen ein »es ist wie es ist«. Und was es dann für Träume waren? Zum Beispiel Esanullah Safi:

»Ich habe einen Traum, dass ich in dem Traum, den ich träumen will, Träume träume. Und in dem Traum träume ich, dass ich Träume habe (…)«

Das ist Traum- und Sprachlogistik höherer Ordnung, Wortsport, Wortspaß.
Applaus, Applaus, Applaus. Und bitte weiterträumen und weiterschreiben.

© Madita Scholze
Am Ende: Für Euch soll’s rote Rosen regnen. Zwei Schülerinnen von der Mittelschule Walliser Straße © Madita Scholze

DI 10.2.15
»AM ZIEL!«
DAS GROSSE FINALE DER SCHREIBWERKSTÄTTEN FÜR MITTELSCHULE