Marica Bodrožic wurde in Kroatien geboren und kam im Alter von 10 Jahren nach Deutschland. Deutsch sei ihre »zweite Muttersprache«, schreibt sie in ihrem autobiografischen Buch »Sterne erben, Sterne färben«, und Deutsch blieb die Sprache ihrer Literatur. Heute stellt sie ihren neuen Roman vor (Luchterhand Literaturverlag), in welchem sie sich auf eine außergewöhnliche Reise begibt: Sie beschreibt das Erwachen eines Mannes, der ein ganzes Jahr im Koma lag, der seinen Namen nicht weiß, nicht sprechen kann, nicht weiß, wo er sich befindet und in welcher Zeit. Mit seinem langsamen Erwachen beginnt er, sich umfassend zu erinnern und seine Welt neu zu erschließen.
»Aufgeknöpfte Zeit, um mich herum, das fühle ich, dicke Schläuche und tickende Maschinen. Die Schläuche sind aus Plastik. Sie binden mich an die Erde. Das Ticken ist vom Mond oder von der Südhalbkugel, dort, wo Luftpumpen gebraucht werden und der Fliegende Fisch zu Hause ist. Von dort kommt alles zur Erde, die Idee der Waage, des Paradiesvogels und des Kranichs. Die leuchtenden Punkte erzählen mir davon. Kluge Sterne über hellster Erde. Ich weiß nicht, ob sie nur in meinem Kopf sind. Oder im ganzen Himmel. Oder ob mein Kopf ein kleiner Himmel ist, hier, in diesem Zimmer, in dem ich liege, wie lange, das sagt mir niemand, denn auch ein Zimmer ist ein Himmel für sich. Keiner, der hier ein- und ausgeht, vermutet in mir einen hörenden Menschen. Nicht ohne Grund zweifeln sie an meinen Ohren. Der Zimmerhimmel weiß, dass ich alles hören kann, vor allem das, was nicht gesagt wird und auch jenseits der Wände. Oben am Plafond magnetisieren sich die lauten, die leisen und die noch ungeborenen Wörter.«
Marica Bodrožic »Das Wasser unserer Träume«