Do 19.4.12 // 20 Uhr // Saal

Imperium

Lesung mit Christian Kracht

Einführung: Christopher Schmidt (Süddeutsche Zeitung)

Es ist ohne Zweifel das meist diskutierte Buch in diesem Frühjahr: In »Imperium« (Kiepenheuer & Witsch) erzählt Christian Kracht von einem Aussteiger in den deutschen Kolonien der Südsee. Die Welt wollte er retten, eine neue Religion stiften, ein eigenes Reich gründen und eine Utopie verwirklichen, die nicht nur ihn selbst, sondern die Menschheit erlöst, fernab der zerstörerischen europäischen Zivilisation, die gerade aufbricht in die Katastrophen des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Doch in der Abgeschiedenheit der Südsee gerät dieser von einem vegetarischen Spleen besessene Sonnenanbeter in eine Spirale des Wahnsinns, die die Abgründe des 20sten Jahrhunderts vorwegzunehmen scheint.

 

»Unter den langen weißen Wolken, unter der prächtigen Sonne, unter dem hellen Firmament, da war erst ein langgedehntes Tuten zu hören, dann rief die Schiffsglocke eindringlich zum Mittag, und ein malayischer Boy schritt sanftfüßig und leise das Oberdeck ab, um jene Passagiere mit behutsamem Schulterdruck aufzuwecken, die gleich nach dem üppigen Frühstück wieder eingeschlafen waren. Der Norddeutsche Lloyd, Gott verfluche ihn, sorgte jeden Morgen, reiste man denn in der ersten Klasse, durch das Können langbezopfter chinesischer Köche für herrliche Alphonso-Mangos aus Ceylon, der Länge nach aufgeschnitten und kunstvoll arrangiert, für Spiegeleier mit Speck, dazu scharf eingelegte Hühnerbrust, Garnelen, aromatischen Reis und ein kräftiges englisches Porter Bier. Gerade der Genuß des letzteren schuf unter den rückreisenden Pflanzern, die sich – in das weiße Flanell ihrer Zunft gekleidet – auf den Liegestühlen des Oberdecks der Prinz Waldemar eher hingeflezt als anständig schlafen gelegt hatten, für eine überaus flegelhafte, fast liederliche Erscheinung. Die Knöpfe ihrer am Latz offenen Hosen hingen an Fäden lose herab, Soßenflecken safrangelber Curries überzogen ihre Westen. Es war ganz und gar nicht auszuhalten. Bläßliche, borstige, vulgäre, ihrer Erscheinung nach an Erdferkel erinnernde Deutsche lagen dort und erwachten langsam aus ihrem Verdauungsschlaf, Deutsche auf dem Welt-Zenit ihres Einflusses.

So oder so ähnlich dachte der junge August Engelhardt, während er die dünnen Beine übereinanderschlug, einige imaginäre Krümel mit dem Handrücken von seinem Gewand wischte und grimmig über die Reling auf das ölige, glatte Meer hinaussah.«

(LESEPROBE Christian Kracht »Imperium«)